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Good Working Conditions

Existenzsichernde Löhne in der Elektronikbranche

Good Working Conditions

Jedes Jahr im Dezember müssen viele von uns auf ihren Geldbeutel achten. Das gilt dieses Jahr noch einmal mehr als sonst, da die Covid-Maßnahmen weltweit verheerenden wirtschaftlichen Schaden anrichten. Für viele Menschen besteht das Geldproblem jedoch ganzjährig, auch unabhängig von Corona.

Niedriglöhne sind ein anhaltendes Problem in vielen Bereichen der Elektronikbranche. Viele Arbeiter (und deren Familien) wissen nicht, wie sie Nahrungsmittel, Wohnung, Gesundheitsversorgung, Bildung und andere Lebensnotwendigkeiten finanzieren sollen, da sie keinen fairen, existenzsichernden Lohn bekommen. Ein existenzsichernder Lohn ist dabei eine Vergütung, der Arbeitnehmern und ihren Familien einen einfachen, aber menschenwürdigen Lebensstandard ermöglicht.

Fairphone ist das erste Elektronikunternehmen, das Fabrikarbeitern einen Bonus in Höhe von 1,85 US-Dollar (entspricht etwa € 1,78) pro hergestelltem Fairphone 3 und 3+ zahlt. Dieses einzigartige System ist ein Teil von Fairphones Mission, das Wohlergehen der Arbeiter in unserer Lieferkette zu verbessern. Der Bonus wird zusätzlich zum Basislohn gezahlt, um die Lücke zwischen dem chinesischen Mindestlohn und einem existenzsichernden Lohn zu schließen.

 

Im September 2019 haben wir mit dieser Aktion begonnen. In etwas mehr als einem Jahr haben mehr als 485 Arbeiter einen Bonus von umgerechnet bis zu € 1.050 erhalten; auch diejenigen, die nicht direkt in die Produktion involviert waren. Das entspricht Extra-Geld in Höhe von mehr als vier Monatsgehältern, beziehungsweise einer Lohnerhöhung von 30 %, wenn man vom Basislohn ausgeht. Indem wir existenzsichernde Löhne zahlen, packen wir ein weiteres Übel bei der Wurzel: Massive Überstunden, ein weit verbreitetes Problem in dieser Branche.

Wir sind regelmäßig mit den Fabrikarbeitern in Kontakt und nehmen ihr Feedback zu unserem Programm entgegen. Im Juli 2020 haben wir auf dieser Basis einige operative Änderungen vorgenommen:

 
  • Der Bonus wird jetzt monatlich, statt wie bisher vierteljährlich gezahlt.
  • Die Arbeiter, die am wenigsten verdienen, erhalten den höchsten Bonus.
  • Für Bonuszahlungen ist keine dreimonatige Betriebszugehörigkeit mehr erforderlich.
  • Die Förderung regelmäßiger Diskussionen und Mitarbeiterbefragungen sowie das Verständnis für kulturelle Unterschiede waren die Schlüsselelemente bei der Umsetzung dieser von den Arbeitern vorgeschlagenen Änderungen.

Der gesetzliche Mindestlohn ist kein existenzsichernder Lohn

In Anbetracht der anhaltenden Covid-Pandemie hat eine Studie, die in Kooperation mit Facilitator, einer chinesischen NGO, durchgeführt wurde, ergeben, dass existenzsichernde Löhne wichtiger sind denn je. Die meisten Arbeiter leiden, da derzeit weniger Überstunden gemacht werden, unter Einkommenseinbußen. Auch die Arbeitgeber haben geringere Einnahmen zu verzeichnen. Auf dem Höhepunkt der Coronakrise in China Anfang 2020 hat Fairphone den Arbeitern, die ihrer Arbeit in der Fabrik nicht nachgehen konnten, weiterhin ihren existenzsichernden Lohn gezahlt und ihnen so durch eine schwierige Zeit geholfen.

 

Die Studie von Facilitator ergab zudem, dass ein existenzsichernder Lohn das 2,5- bis 3-fache des gesetzlichen Mindestlohns beträgt. Es stellte sich heraus, dass Arbeitnehmer zuerst die Ausgaben für Lebensmittel kürzen, gefolgt von Aufwendungen für Wohnung, Gesundheitsversorgung und Bildung, wenn ihr Einkommen unter die Grenze für einen akzeptablen Lebensstandard sinkt. Auch ein neuer Trend machte sich bemerkbar: Während es früher in den Dörfern üblich war, die Kinder daheim, beispielsweise bei den Großeltern, zu lassen, während man selbst oft Tausende von Kilometern zur Arbeit reiste, ziehen heute immer mehr chinesische Arbeiter zusammen mit ihren Angehörigen in die Städte. Das bedeutet, dass ein Arbeiter ein noch höheres Einkommen benötigt, um seiner Familie den teureren Lebensunterhalt in einer Stadt finanzieren zu können. Zur Kalkulation des existenzsichernden Lohns für vier wichtige Regionen der Elektronikindustrie in China hat Facilitator die sogenannte Anker-Methode angewandt und diese mit der aktuellen Familiengröße in den Städten, die in Arbeitnehmerumfragen bestätigt wurde, ergänzt.

 

Die Studie zeigt nicht nur, wie “business as usual” die Belange der Arbeiter vernachlässigt: Sie liefert uns wertvolle Erkenntnisse über unsere Möglichkeiten, die Lieferkette fairer zu gestalten.

Wir sind stolz darauf, den Bonus für existenzsichernde Löhne in einer Zeit erhöht zu haben, in der viele Unternehmen aufgrund der Pandemie mit explodierenden Kosten zu kämpfen hatten. Dieser Bonus bleibt in seiner jetzigen Höhe auch nach dem Ende der Pandemie bestehen. In etwas mehr als einem Jahr haben wir gezeigt, dass es möglich ist, Fabrikarbeitern existenzsichernde Löhne zu zahlen und das für weniger als zwei Euro pro Smartphone. Das Programm für existenzsichernde Löhne ist ein Beispiel für ein von Fairphone geschaffenes Modell, das vom Rest der Elektronikbranche leicht nachgeahmt werden kann. Falls dies geschieht, könnte es die Elektronikbranche und das Leben der in ihr tätigen Menschen komplett transformieren. Es ist Zeit für Elektronikunternehmen, in ihrer Lieferkette existenzsichernde Löhne zu zahlen.

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie wir den Bonus kalkuliert und implementiert haben, findest du weitere Informationen in unserem Whitepaper

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